Das Markusevangelium ist vermutlich nach dem Jahr 70 n. Chr. entstanden. Zu diesem Zeitpunkt hatte die junge Markusgemeinde immer noch die ersten Christenverfolgungen in Rom unter Nero zu bewältigen. Jerusalem war von den Römern erobert worden, der Tempel zerstört und geplündert und der siegreiche römische Feldherr Vespasian wurde zum römischen Kaiser ausgerufen. Welche Glaubens- und Identitätskrise diese Ereignisse ausgelöst haben mögen und welche Strategien das Markusevangelium den jungen christlichen Gemeinden zur Bewältigung anbietet, zeigen die Beiträge in diesem Heft.
Die historisch-kritische Exegese habe in den letzten 200 Jahren „ihr Wesentliches gegeben“, schreibt Papst Benedikt XVI. im zweiten Band seines Jesusbuches. Die Bibelwissenschaft müsse einen „methodisch neuen Schritt“ vollziehen und sich als „theologische Disziplin erkennen“ (S. 11). Die Beiträge in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift „Bibel und Kirche“ zeigen, dass die Forschungsarbeiten zum Markusevangelium sich auf diesem Weg befinden. Seit Anfang des 20. Jh. erweiterten Exegeten ihr Methodeninstrumentarium kontinuierlich. Im Hinblick auf den erzählenden Charakter des Markusevangeliums wurden z.B. viele narrative Untersuchungen vorgenommen. Historisch-politisch fragende Arbeiten, die den Blick auf die Abfassungszeit dieses Evangeliums richteten, konnten dann diese narrativ-erzählenden Eigenarten des Markusevangeliums (Messiasgeheimnis, Jüngerunverständnis, Komposition des Weges nach Jerusalem, u.a.) theologisch neu deuten. Nach der Erfahrung des jüdisch-römischen Krieges (66-70 n. Chr.) erzählt „Markus“ die Jesusgeschichte als Gegenevangelium zum Aufstieg Verspasians zum Kaiser in Rom.
Die Autoren in diesem Heft sind Martin Ebner, Stefan Schreiber, Klara Butting, Gerard Minnaard, Rupert Feneberg, Birgit Opielka, Wolfgang Wieland, Wolfgang Fritzen, Peter Zürn, Ralf Huning und Detlev Dormeyer